Rechnen mit Quanten-Prozessoren der kommenden Generation

Für nächstes Jahr hat Google einen Quantenprozessor angekündigt, der mit 50 Qubits, den Recheneinheiten eines Quantencomputers, rechnen können soll. Das Problem: Die Qubits dieser Quantenprozessoren liegen wie auf einer Perlenschnur aufgereiht nebeneinander. Das macht das Rechnen selbst im Vergleich zu bisherigen Computern noch langsam, da Rechenoperationen zwischen zwei Qubits nur dann funktionieren, wenn sie direkt nebeneinander liegen. Dazu muss man ihre Positionen innerhalb der „Perlenkette“ tauschen. Physiker um Frank Wilhelm-Mauch von der Universität des Saarlandes haben nun ein Verfahren beschrieben, das diese Rechenoperationen in konkreten Fall um das 25-Fache beschleunigen kann.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Nach diesem Motto haben Physiker um Frank Wilhelm-Mauch ein passendes quantenphysikalisches Problem suchen müssen, das sie mit einem bereits bekannten Verfahren, dem Rechnen mit Quantenprozessoren, lösen wollten. Das Problem ist in dem Fall allerdings nur Mittel zum Zweck, denn eigentlich geht es den Quantenphysikern um die Verbesserung des Rechenverfahrens, um somit einen Zwischenschritt auf dem weiten Weg zu einem alltagstauglichen Quantencomputer zu gehen.

Dabei suchten sie sich eine Herausforderung, die heutige herkömmliche Supercomputer an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringt: die Simulation von Molekülen. „Ein großer Teil der theoretischen Chemie beschäftigt sich genau mit dieser Art von Problemen: Mit immer leistungsfähigeren Computern immer größere Moleküle zu simulieren“, erklärt Frank Wilhelm-Mauch. Die Vorhersage von Moleküleigenschaften ist ein passgenaues Problem für Quantencomputer. Denn mit zunehmender Komplexität der Moleküle, also je mehr Atome in einem Molekül zusammenkommen, desto schwieriger ist die Vorhersage ihrer Eigenschaften, die sich aus dem Zusammenspiel aller Teile des Atoms ergeben. Klassische Computer schaffen dies nicht mehr beziehungsweise sie brauchen eine immens lange Zeit zum Rechnen. Quantencomputer könnten solche Simulationen erheblich schneller schaffen, da sie alle Rechenoperationen parallel verarbeiten können und nicht nacheinander abarbeiten.

Dabei gibt es zwei Probleme: Zum einen die Zahl der Bits, der Recheneinheiten, zwischen denen eine mathematische Operation läuft, zum anderen deren Verbindung untereinander. Anders als auf einem heute handelsüblichen Computer für den Alltag mit vier Gigabyte Arbeitsspeicher, also mit 32 Milliarden Bit auf dem Prozessor, hat der für nächstes Jahr von Google angekündigte Quantenprozessor 50 Qubits. Zudem können die „normalen“ Bits fest miteinander verbunden werden, so dass Rechenoperationen zwischen ihnen schnell ablaufen können.

Die Qubits dieses Quantenprozessors der ersten Generation liegen allerdings wie auf einer Perlenschnur nebeneinander aufgereiht. Sie über eine lange Reichweite miteinander zu verbinden wie auf dem normalen Prozessor, ist nicht möglich, da ein Quantensystem viel zu instabil ist, um solch „grobe“ Eingriffe zu überstehen. Konsequenz: Die Bits müssen untereinander die Positionen tauschen. „Läuft eine Rechenoperation auf diesem Prozessor also beispielsweise zwischen Bit 3 und Bit 47 ab, müssen beide so lange die Positionen tauschen, bis sie direkt nebeneinander liegen“, erläutert Frank Wilhelm-Mauch. Das kostet viel Rechenzeit, so dass im extremsten Fall (Rechenoperation zwischen Bit 1 und Bit 50) die Rechnung 50mal langsamer abläuft als es eigentlich möglich wäre.

Diese Rechenzeit haben die Physiker um Frank Wilhelm-Mauch nun enorm verkürzen können. „Statt entlang der Kette zu tauschen und dann erst mit dem Rechnen zu beginnen, wenn beide Qubits unmittelbar nebeneinander liegen, haben wir es geschafft, bereits während der Positionsverschiebung immer ein wenig zu rechnen.“ Damit konnten sie die Rechenzeit erheblich verkürzen. Statt der – im schlechtesten Fall – 50-mal längeren Rechendauer braucht ein Prozessor mit 50 kettenartig angeordneten Qubits dank der besseren Algorithmen der Saarbrücker Physiker nur noch zweimal so lange wie eigentlich möglich.

Diese „Zwei-Qubit-Operation“ ist für diese Aufgabe ideal geeignet. „Als Bonus passt sie darüber hinaus auch noch besonders gut zur angekündigten Google-Hardware. Damit konnten wir zeigen, dass mit diesen Qubit-Ketten gar nicht so wenig zu machen ist, wie wir und die Kollegen weltweit ursprünglich angenommen haben“, schlussfolgert Frank Wilhelm-Mauch.

Nie wieder explodierende Samsung-Geräte?

Neue Materialchemie für Hochleistungsbatterien

Chemiker der TU Berlin um Prof. Dr. Peter Strasser entwickeln neuen Typ von Elektrodenmaterialien für neuartige, sichere Batterien, die auf Aluminium und Magnesium statt Lithium beruhen.

Die Technik könnte auch kleine Geräte nicht nur billiger, sondern auch sicherer machen.

Wieder aufladbare kleine Lithium-Ionen-Batterien begegnen uns auf Schritt und Tritt: Im Handy, in Kameras, Radios und nahezu allen portablen elektrischen Geräten. Lithium ist einerseits ein sehr reaktives Material und damit gut geeignet für Batterien, da man eine hohe Spannung erzeugen kann. Andererseits liegt in dieser Eigenschaft aber auch die Gefahr: Die Batterien müssen vollkommen luftdicht abgedichtet sein, damit es nicht zu explosiven Zwischenfällen kommt.
„Für kleine portable Anwendungen sind Lithium-Ionen-Batterien heute noch erste Wahl“, meint Prof. Dr. Peter Strasser, „aber die Sicherheitsrisiken von Lithium-Ionen-Batterien bei großen Batteriespeichern, wie wir sie für eine Energiewende hin zu regenerativen Energien benötigen, machen ihre langfristige Verwendung zu einer enormen Herausforderung.“

Schon seit längerem arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb an Alternativen, die auf den Metallen Magnesium oder Aluminium beruhen. „Diese Metalle sind preiswerter und können sicherer an der Luft gelagert werden – diese größere Sicherheit bezahlt man allerdings mit einer geringeren Spannung. Dafür stellen diese Ionen nicht wie Lithium nur eine, sondern zwei beziehungsweise drei positive Ladungen zur Verfügung und erlauben daher eine viel dichtere Speicherung von elektrischer Ladung – was gerade für große kompakte Batteriespeicher sehr wichtig ist“, so Peter Strasser.

Das Problem: Die zwei- und dreiwertig geladenen Ionen ließen sich bisher sehr viel schlechter so in ein Wirtsmaterial (Elektrodenmaterial) einlagern, dass sie anschließend reversibel zwischen den Elektroden ausgetauscht werden können. „Meinem Mitarbeiter Dr. Toshinari Koketsu ist es jetzt gelungen, diese Ionen reversibel in eine chemisch modifizierte Form des weißen Farbpigments Titanoxid einzulagern. Das Titanoxid wurde dabei zunächst von unseren Kooperationspartnern an der Pariser Universität Sorbonne mit Fluorid-Ionen dotiert. Das bedeutet, dass Fluorid-Ionen in der Gitterstruktur des Titanoxids einen Teil der Sauerstoff-Ionen ersetzen, dabei einige der positiv geladenen Titan-Ionen ausstoßen und so eine Art ‚Loch’ oder Fehlstelle in dem Gitter produzieren. Es zeigt sich, dass diese Fehlstellen, ideale Einlagerungsstellen für positiv geladene Magnesium- oder Aluminium-Ionen sind.“

In mehreren Versuchsreihen konnten die Wissenschaftler jetzt erstmalig beweisen, dass die reversible Einlagerung der Aluminium- und Magnesium-Ionen über mehrere hundert Zyklen stabil funktioniert und dabei hohe Ladungskapazitäten zeigt. „Damit konnten wir zeigen, dass Fluorid-dotierte Oxidmaterialien mit speziellen Fehlstellen tatsächlich eine grundlegend neue Batteriechemie mit Magnesium- und Aluminium-Ionen ermöglichen, die von fundamentaler wie praktischer Bedeutung sein wird“, so Peter Strasser.

Eine Technik von übermorgen: „Wir werden auch zukünftig noch verschiedene Batterietypen nutzen. Im Moment ist die Lithium-Ionen-Batterie die preiswerteste und beste Methode für viele Anwendungen. Parallel dazu arbeitet die Wissenschaft an sogenannten Lithium-Schwefel-Batterien, die auch von der Automobilindustrie mit Interesse verfolgt werden. Die Aluminium-/Magnesium-Ionen-Batterie ist eher eine Technik von übermorgen, für Anwendungen die zum Beispiel sehr auf Sicherheit fokussiert sind.“

Augmented Reality über Nacht

Mit iOS 11 ebnet Apple einer vielversprechenden Technologie den Weg.

Prof. Dr. Claus-Peter H. Ernst von der Frankfurt University of Applied Sciences nimmt Stellung anlässlich des neuen mobilen Betriebssystems

„Augmented Reality wird unseren Alltag nachhaltig verändern. Durch die starke Integration in Apples neues mobiles Betriebssystem, iOS 11, schafft es die Technologie nun quasi über Nacht in die Lebenswirklichkeit von Millionen Menschen“, so Prof. Dr. Claus-Peter H. Ernst, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Am 12. September 2017 wird Apple seine neuen iPhones vorstellen und damit einhergehend das Veröffentlichungsdatum des neuen mobilen Betriebssystems iOS 11 bekannt geben. Dieses wird nicht nur mit den aktuellsten Hardwaregenerationen kompatibel sein, sondern sich auch problemlos auf vielen älteren iPhones und iPads installieren lassen.

„Eine Besonderheit von iOS 11 ist die Bereitstellung von Augmented Reality-Funktionen seitens des neuen Betriebssystems. App-Entwicklerinnen und Entwickler können damit auf besonders einfache Weise Augmented Reality in ihre Apps integrieren“, ergänzt Ernst. „Durch die große bestehende Apple-Nutzerbasis wird die Technologie so für Millionen Menschen verfügbar sein, ohne dass diese dafür neue Hardware kaufen müssen: Das einfache Softwareupdate auf iOS 11 ermöglicht den Zugang zu den neuen Augmented Reality-Apps.“

Augmented Reality bezeichnet die Erweiterung der Realitätswahrnehmung durch die Einblendung von digitalen Inhalten in den Sehbereich der Nutzer/-innen. „Stellen Sie sich vor, Sie besuchen Frankfurt und richten Ihr Handy auf den Messeturm. Auf Ihrem Display sehen Sie zusätzlich zu dem Turm beispielsweise eine schwebende Informationstafel mit Angaben zu Höhe, Baujahr und weiteren Daten“, erklärt Ernst. Bereits vorgestellte Demos zeigen auch entsprechende Anwendungsmöglichkeiten in der eigenen Wohnung. So lassen sich z. B. virtuelle Möbel, Poster oder andere Objekte im eigenen Zuhause platzieren. „Das ist nützlich, um vielleicht den ein oder anderen Fehlkauf bei der Innenausstattung zu vermeiden oder aber ganz auf den echten Fernseher zu verzichten, indem man ihn durch ein virtuelles Gerät ersetzt. Zudem macht der Umgang mit der Technologie auch Spaß: Apps wie Pokémon GO konnten dies bereits eindrucksvoll beweisen.“

Laut Ernst wird dabei ein Aspekt den Erfolg von Augmented Reality besonders bestimmen: „In einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigte unsere Forschungsgruppe auf, dass gerade das Ersetzen von realen Gegenständen, wie Fernseher oder Poster, durch virtuelle Repräsentationen ein zentraler Faktor des wahrgenommenen Nutzens und Vergnügens von Augmented Reality darstellt. Da sowohl Nutzen als auch Vergnügen die treibenden Faktoren von Technologie-Akzeptanz sind, wird die ermöglichte Ersetzung einer Vielzahl von bestehenden Technologien und Alltagsgegenständen letztlich einen großen Teil des Erfolgs von Augmented Reality definieren.“ Daher glaubt Ernst auch an einen baldigen Eintritt von Apple in den Smartglasses-Markt: „Auf Dauer wird Augmented Reality mit dem Mobiltelefon oder dem Tablet für die breite Masse nur in bestimmten, klar umrissenen Situationen praktikabel sein. Schließlich verschwindet das virtuelle Poster, sobald ich mein iPhone weglege.“ Mit einer Datenbrille, wie sie andere Hersteller bereits gezeigt haben, sähe das jedoch anders aus. „Die Datenbrille könnte ständiger Begleiter werden und zu Hause oder unterwegs die Nutzerinnen und Nutzer als Informationsquelle unterstützen oder auch für Unterhaltung sorgen.“

Smartphones aus Pilzen? Aconitsäure als Baustein für Bioplastik

Mangelnde Reparierbarkeit, zu wenig Zweitnutzung. Moderne Elektronik ist ein Ressourcenfresser ohne Ende. Es beruhigt auch nicht, wenn Wissenschaftler Methoden finden, die in noch nicht absehbarer Zukunft einige der Rohstoffe, die wir in unseren Smartphones regelrecht verbraten, günstiger und sinnvoller herstellbar machen.

Trotzdem wäre es witzig: Ein Schimmelpilz produziert die Rohstoffe für Hüllen von Smartphones, Tablets oder Laptops.

Plastik und Natur, das passt auf den ersten Blick nicht zusammen. Forscher des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) sind da anderer Meinung: Ihnen ist es erstmals gelungen, den im Boden vorkommenden Schimmelpilz Aspergillus niger so zu verändern, dass dieser Aconitsäure herstellen kann – ein neuer Rohstoff und nicht zuletzt wichtiger Baustein für die Produktion ungiftiger Biokunststoffe. Das acib setzt damit einen weiteren, wichtigen Schritt in der Erzeugung chemischer Produkte aus erneuerbaren Ressourcen, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zum Wohle unseres Planeten zu beenden.

Aspergillus niger
Foto: acib GmbH

Die erstaunlichsten Innovationen stammen immer noch aus der Natur: Schimmelpilze etwa sind chemische Spezialisten, die durch Fermentation aus erneuerbaren Rohstoffen wie Zucker eine Reihe wichtiger Produkte herstellen können, angefangen bei Antibiotika über Waschmittelzusätze bis hin zu Säuerungsmittel für die Lebensmittelindustrie. Das weiß auch die Industrie zu schätzen, die seit über 50 Jahren Zitronensäure – mengenmäßig eines der wichtigsten Produkte – großtechnisch mithilfe von Schimmelpilzen wie Aspergillus niger herstellt. Innovativ und ohne Amtsschimmel dachte sich das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) kurzerhand, ob die schwarzen Pilze nicht sogar noch mehr können, als man ihnen bisher zudachte.

Alter Pilz, neuer Rohstoff

In einem Projekt in Kollaboration mit der niederländischen Universität Leiden ist es dem acib gelungen, den Bodenpilz als Produktionsvehikel von Aconitsäure zu verwenden. „Wir haben ein besonderes Eiweiß aus einem anderen Pilz entdeckt, das gezielt Aconitat aus den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, heraustransportieren kann“, erklärt acib-Projektleiter Matthias Steiger. In den Schimmelpilz eingebracht, stellt dieser die wichtige Biochemikalie erstmals gezielt in einem Bioprozess her. Das Ergebnis dieser Forschung wurde 2016 in der renommierten Fachzeitschrift „Metabolic Engineering“ publiziert.

Wichtiger Schritt für biobasierte Produkte

Bisher wurde Aconitsäure, die ihren Namen von der Pflanze Eisenhut (Aconitum napellus) trägt, als Nebenprodukt der Zuckerrübe isoliert. Sie kommt in sehr geringen Mengen ebenso als Teil des Stoffwechsels in den Zellen eines jeden Lebewesens vor, wo sie die Umsetzung von Zuckern und Fetten in Energie ermöglicht.
Dank der neuen Produktionsmethode soll sie nun vor allem für die chemische Industrie interessant werden. „Ester der Aconitsäure können z.B. als Bausteine für die Herstellung von Biopolymeren dienen und damit erdölbasierte Kunststoffe ersetzen. Außerdem eignet sie sich als ungiftige Alternative für Weichmacher, für die Verwendung als Befeuchtungsmittel oder als Ausgangsstoff für andere Chemikalien“, weiß BOKU-Professor und acib-Key-Researcher Diethard Mattanovich, der im neuen Rohstoff sogar die Herstellung von Produkten möglich sieht, „die es bisher noch nicht gab.“ Noch dauert es ein paar Jahre, bis der Prozess industriell implementiert werden kann. Dennoch wird der Säure schon jetzt Großes zugeschrieben. Mattanovich: „Insbesondere im Rahmen der Bioökonomie setzt die neue Entwicklung einen weiteren wichtigen Schritt, in Zukunft alle chemischen Produkte aus erneuerbaren Rohstoffen herzustellen und die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu beenden.“

Zum Projekt

Das 2015 gestartete, strategische Projekt hat eine Laufzeit von fünf Jahren und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ), dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), ecoplus Wirtschaftsagentur NÖ, der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SFG), der Standortagentur Tirol und der Technologieagentur der Stadt Wien (ZIT GmbH) im Rahmen des COMET-Programms der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert.

 

Smart Fahrt – Ohne Führerschein?

Die Transformation des Verkehrs durch Automatisierung und Vernetzung ist in aller Munde und wird begleitet von verheißungsvollen Zukunftsperspektiven. Deutschland hat sich dabei hohe Ziele gesetzt – Leitanbieter bleiben, Leitmarkt werden, Regelbetrieb einleiten.

Das automatisierte und vernetzte Fahren wirft viele rechtliche Fragen auf. Das Fachgebiet Wirtschafts-, Unternehmens- und Technikrecht der TU Berlin unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler hat den Zuschlag für eine vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geförderte zwölfmonatige wissenschaftliche Studie zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für automatisierte und vernetzte Verkehrssysteme erhalten.

Die Studie untergliedert sich thematisch in vier Komplexe, die in besonderem Maße mit der technologischen Entwicklung in Verbindung stehen:

In Komplex 1 liegt der Fokus auf rechtlichen Problemen, die die weitere Entwicklung bereits gegenwärtig behindern. Dies betrifft vor allem den Bereich sogenannter standardessentieller Patente, also Schlüsselpatente auf fundamentale Techniken, und den Aspekt der fairen, vernünftigen und diskriminierungsfreien Lizenzbedingungen (fair, reasonable and non-discriminatory, FRAND) dafür.

In Komplex 2 sind Zulassungsfragen und Standards zu untersuchen. Dabei sind insbesondere Sicherheitsanforderungen an die „Bauart“ neuer Systeme zu stellen, da eine Überwachung durch die Fahrerin oder den Fahrer entfällt. Zu entwickeln ist hier ein neues Zulassungsrecht inklusive innovativer Infrastrukturmaßnahmen.

Darüber hinaus erfordert die zunehmende Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und die Einbindung von intelligenter Infrastruktur die Untersuchung von Haftungsregelungen. Der Zusammenhang von Halter-, Produkt- und Infrastrukturhaftung muss neu justiert werden; diesen Herausforderungen widmet sich Komplex 3.

Der Komplex 4 befasst sich mit datenrechtlichen Erwägungen. Neben der Frage, wem die übermittelten Daten gehören (Datenhoheit), ist die Handhabung der nun auch in einem Auto eingebauten Blackbox zu prüfen (Datenschutz) und ein Schutz vor Hackerangriffen (Datensicherheit) zu schaffen.

Schließlich soll bei der Bearbeitung dieser Aufgabenbereiche untersucht werden, inwieweit aus dem Anwendungsbereich Industrie 4.0 allgemeine Grundbedingungen für vernetzte und automatisierte Systeme generell abgeleitet werden können.

Mensch-Maschine-Vernetzung – darf das?

Ethische Orientierung für Entwickler – BMBF-Forschungsprojekt gestartet

Darf ein technisches System oder eine Maschine Erziehungsaufgaben bei Kindern übernehmen? Ist eine Videoüberwachung pflegebedürftiger Angehöriger oder von Kindern Ausdruck von Fürsorge oder Überwachung? Sollen oder dürfen „Pflegeroboter“ Pflegebedürftige auch emotional ansprechen? Diese Fragen müssen sich auch die Entwickler sogenannter sozio-technischer Arrangements stellen, denn die steigende Komplexität ist nicht allein ein technisches Problem, sondern stellt auch die Nutzer zunehmend vor Orientierungsprobleme im alltäglichen Umgang mit digitaler Technik.

Ziel des Forschungsprojektes „Wahrnehmungs- und Orientierungsinstrument zur Evaluation vernetzter sozio-technischer Arrangements (ComplexEthics)“ ist es, Orientierungswissen bereits für die Entwickler neuer Technologien zu erarbeiten, mit dem die digital vernetzte Welt gedeutet und bewertet werden kann. Prof. Dr. Arne Manzeschke von der Evangelische Hochschule Nürnberg leitet das Forschungsprojekt ComplexEthics, das über drei Jahre mit 1,13 Millionen Euro zu hundert Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

In dem Forschungsprojekt ComplexEthics wird ein Orientierungsinstrumentarium für Ingenieurs- und Informationswissenschaften entworfen.

Es soll bei Forschung und Entwicklung solcher sozio-technischen Arrangements ethische, rechtliche und soziale Fragen sensibel wahrzunehmen und die vernetzten Technologien entsprechend verantwortlich zu gestalten.

Zur Entwicklung des Wahrnehmungs- und Orientierungsinstruments werden analytische und theoretische Zugänge aus Ethik, Anthropologie, Informatik und Soziologie zusammengeführt. Sowohl die Nutzer und Konstrukteure von komplexer Technik als auch externe Experten werden mittels qualitativer Interviews und Fokusgruppen einbezogen. Von dieser transdisziplinären Auseinandersetzung gehen Impulse für die konkrete Technikgestaltung aus, die als didaktisches Konzept zum Beispiel in Form eines Handbuchs zu ethischen Leitlinien der Praxis zur Verfügung gestellt werden. Das Handbuch erlaubt Entwicklern frühzeitig und umfassend ethisch sensible Problembereiche zu identifizieren und in der weiteren Entwicklung zu berücksichtigen.

Macht uns Virtual Reality unsterblich?

Was macht Virtual Reality mit uns und unserer Gesellschaft? „Diese Frage dürfen wir nicht nur den technischen Entwicklern überlassen“, findet Dr. Jonathan Harth von der Universität Witten/Herdecke (UW/H).

Mit Hilfe der neuen Virtual Reality Ausrüstung der Uni untersucht er mit seinen Studierenden, welche Auswirkungen die neuen digitalen Möglichkeiten auf Gesellschaft und Individuum haben könnten. „Wir haben uns der virtuellen Realität sozialwissenschaftlich genähert und genauer untersucht, was diese Möglichkeit für den Menschen bedeutet. Dabei ging es uns darum herauszufinden, was diese Präsenz, also das Gefühl, wirklich dort zu sein in der anderen Welt, mit den Menschen macht und wie unterschiedlich diese auf die andere Realität reagieren. Die Perspektive der Benutzer wird in der VR-Forschung bisher leider kaum beachtet.“ Anhand der Ergebnisse entstand eine Typologie der VR-Nutzer. „Es gibt große Unterschiede bei der Reaktion auf die digitalen Welten“, erläutert Harth. „Je nachdem, wie selbst- oder weltzentriert, wie kontroll- oder explorationsbezogen die Menschen sind, sind sie unterschiedlich stark in der Lage, in diese Welt einzutauchen.“

Auswirkungen auf die Gesellschaft

UW/H-Studentin testet die neue VR-Ausrüstung

Allerdings sei es wichtig, sich nicht nur mit der Wirkung von Virtual Reality auf das Individuum zu befassen, sondern auch mit ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. „Das Thema bietet riesige Potenziale, aber auch einige Risiken“, betont Harth. „Zum Beispiel wird es sicherlich Milieus geben, in denen Menschen den Wunsch verspüren werden, ihre künstliche Welt nicht mehr zu verlassen. Besonders, da virtuelle Realität immer detaillierter und überwältigender werden wird.“

Pauschal verteufeln möchte der UW/H-Wissenschaftler die neue Technologie jedoch nicht. „Sie ist ein weiterer Schritt in Richtung Medien- und Computergesellschaft“, so Harth. Positives Potenzial der VR sieht er beispielsweise in Schulungs- und Trainingsanwendungen, generell in Lernkontexten und beim Thema gemeinschaftliches Arbeiten. „Man kann sich auch fragen, ob VR nicht sogar so etwas wie eine Empathie-Maschine sein kann“, sagt er. „Durch die Möglichkeit, vollkommen neue Perspektiven einzunehmen und beispielsweise als Mann in einen Frauenkörper oder auch in die Rolle eines Kindes in einem Slum in Nigeria schlüpfen zu können, wird es vielleicht möglich sein, einen ganz anderen Grad an Beziehung und Verständnis für andere Menschen aufzubringen.“

Grenzen der Virtual Reality ziehen

Allerdings formuliert Harth auch Bedenken: „Wir müssen schauen, wo wir die Grenzen von VR ziehen. Denn diese werden, sobald die technischen Möglichkeiten ausgereift sind, nur noch in unseren Köpfen existieren. Wie wollen wir beispielsweise damit umgehen, wenn Leute ihren eigenen Körper mittels fotografischer Verfahren in die VR projizieren? Dort könnten Sie dann quasi unsterblich werden und für ihre Angehörigen auch nach dem Tode besuchbar sein. Wird das dazu führen, dass uns der reale Tod der Menschen dann egal ist? Mit solchen Fragen muss die Gesellschaft einen Umgang finden.“

Seit ihn vor drei Jahren die „Virtual Reality Welle“ erwischt hat, ist Harth fest entschlossen, diese Entwicklungen weiter wissenschaftlich zu begleiten. Dank der neuen VR Hardware, die an der UW/H in Forschung und Lehre eingesetzt wird, ist dies nun viel umfänglicher möglich. In seinem Seminar „Reflexion und Konstruktion virtueller Welten“ im kommenden Semester werden die neuen technischen Möglichkeiten dazu genutzt, herauszufinden, wie eine eigene virtuelle Welt entworfen werden kann.

„Für die technischen Details werden wir uns vermutlich einen Kooperationspartner suchen“, kündigt Harth an. „Für uns wird es darum gehen, die technische und die Reflexionsperspektive zu verbinden. Wir werden zudem untersuchen, wie sich die soziale Situation verändert, wenn Personen nur virtuell, aber nicht körperlich präsent sind. Bei Volkswagen, und bald wohl auch in anderen Konzernen, wird VR schon zur kollaborativen Arbeit eingesetzt. Weitere interessante Fragen sind für uns deshalb: Wie ändert sich gemeinschaftliches Arbeiten, wenn es nur im virtuellen Raum stattfindet? Und wie ändert es sich, wenn ich nicht mit anderen Menschen, sondern mit computergesteuerten Avataren zusammenarbeite?“

Besonders zum Thema Mensch-Maschine-Interaktion möchte der VR-Experte weiterforschen: „Noch sind diese künstlichen Figuren recht stupide und etwas langweilig. Das wird sich aber sicherlich durch Entwicklungen im Bereich KI ändern und auch die VR-Technologie wird sich rasant weiterentwickeln. Wir möchten weiterhin wissenschaftlich erforschen, wie sich diese neuen Möglichkeiten auf unsere Kommunikation und Interaktion auswirken.“